Vor 150 Jahren: Der Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges vor den Toren der Pfalz

Veröffentlicht am 1. April 2020

Unter den tausenden bayerischen Soldaten, welche – etwa als Angehörige des Königlichen Infanterie-Leib-Regiments – am 1. und 2. September 1870 auf dem Schlachtfeld rund um die nordfranzösische Stadt Sedan kämpften und starben, befanden sich nicht zuletzt viele Pfälzer. Jener Waffengang gilt als Vorentscheidung in Verlauf und Ausgang eines Konflikts, der heute innerhalb der breiteren Öffentlichkeit eher in Vergessenheit geraten sein dürfte. Die Rede ist von der militärischen Auseinandersetzung zwischen dem Norddeutschen Bund (unter Führung des Königreichs Preußen), den Königreichen Bayern und Württemberg sowie den Großherzogtümern Baden und Hessen-Darmstadt mit dem Kaiserreich Frankreich (Empire français) 1870/71 – ausgelöst durch den französischen-preußischen Streit um die spanische Thronfolge und einer von Ministerpräsident Bismarck gezielt lancierten, scharfen Pressemitteilung, die Kaiser Napoleon III. letztlich zur Kriegserklärung provozierte.      

Entwarnung für die Pfalz: Verlagerung des Kampfgeschehens nach Frankreich

Adlerbogen Dannenfels
Adlerbogen Dannenfels, 2016 nach Restaurierung (https://de.wikipedia.org/wiki/Donnersberg – Stand: 01.04.2020)

Die Kampfhandlungen des von beiden Seiten mit großer Brutalität geführten Deutsch-Französischen Krieges – dem letzten der drei „Einigungskriege“ Deutschlands – begannen am 2. August 1870 mit einem französischen Angriff bei Saarbrücken. Dieser, direkt an der Grenze zur bayerischen Pfalz stattfindend, ließ die unter ihren Bewohnern verbreitete Angst vor Verwüstung und feindlicher Besatzung zunächst sehr konkrete Gestalt annehmen. Doch blieb der Vorstoß eher Episode, denn bereits einen Tag später sammelten sich, mit Hilfe der Eisenbahn zügig herangeführt, drei deutsche Armeen (ca. 320.000 Soldaten) in Grenznähe (Nordelsass und Ostlothringen), so dass die Franzosen sich zurückziehen mussten. Es sollte für die Soldaten Napoleons III. allerdings noch schlimmer kommen. Bereits in der ersten Augustwoche 1870 musste sich die französische Armee im Elsass bei Weißenburg und Woerth/Froeschwiller (4. und 6. August) sowie im lothringischen Spichern (6. August) geschlagen geben. Rückzüge und weitere Niederlagen westlich der Mosel bei Mars-la-Tour und in der Schlacht bei Gravelotte – der wohl größten Schlacht des gesamten Krieges – am 16. und 18. August 1870 waren die Folge. Nach dieser Niederlagenserie sah sich der Marschall François Achille Bazaine gezwungen, die französische Rheinarmee zurückzuführen. Obwohl die Rückzugsschlacht von Mars-la-Tour eigentlich ein taktisches Unentschieden war, geriet das Treffen zum strategischen Sieg der Preußen. Dem Marschall gelang es nämlich nicht mehr, sein eigentliches Ziel Verdun zu erreichen, sondern ihm blieb als Ausweg nur, den Rückzug in die Festung Metz anzuordnen. Da er und seine Truppen jedoch ab dem 20. August von deutschen Verbänden (1. und 2. Armee) dort eingeschlossen wurden, griff die französische Regierung in dieser Situation zu einer verzweifelten Maßnahme. Der Ministerrat beorderte die Truppen des Marschalls Edme Patrice Maurice de Mac-Mahon, die eigentlich Paris zu schützen hatten, zur Entsetzung der eingeschlossenen Verbände nach Metz.

Der eigentlich das hohe Risiko scheuende Mac Mahon rückte am 23. August befehlsgemäß von Reims entlang der belgischen Grenze bis zur Mosel vor. Doch noch bevor Metz erreicht werden konnte, mussten sich nach einer Niederlage bei Beaumont am 30. August 1870 Mac-Mahons Truppen nach Sedan zurückziehen, wurden dort eingeschlossen und letztlich vernichtend geschlagen. Nicht weniger als 39 Generäle, 2.830 Offiziere und 83.000 Soldaten gerieten ebenso in deutsche Kriegsgefangenschaft wie Napoleon III.

Französische Niederlage und Reichsgründung

Obwohl der in Deutschland enthusiastisch gefeierte Sieg (Sedanstag) nach neuerer Forschung nicht unbedingt kriegsentscheidend war, folgte der politische Zusammenbruch des französischen Kaiserreiches, letztlich die Abschaffung der Monarchie, auf dem Fuße. Dies geschah durch die Proklamierung der – ursprünglich als verfassungsrechtliches Provisorium gedachten – Dritten Französischen Republik am 4. September 1870 in Paris. Der Krieg war damit jedoch keineswegs beendet. Es kam am 19. September zur Einschließung und Belagerung von Paris, am 27. Oktober folgte die Kapitulation von Metz (170.000 Gefangene). Auch scheiterte der Versuch der neugegründeten Republik, mittels Massenmobilisierung und Guerillakrieg das Blatt zu wenden. Es gelang den verbündeten Deutschen sogar, die von Charles Denis Bourbak geführte, neu aufgestellte Armée de l’Est (fast 87.000 Soldaten mit 12.000 Pferden), welche zum Elsass vordringen sollte, nach wechselvollen Gefechten bei Les Verrières (Kanton Neuenburg) einzuschließen und am 1. Februar 1871 auf Schweizer Gebiet abzudrängen. Fast zeitgleich, schon am 31. Januar, war nach längeren Verhandlungen ein befristeter allgemeiner Waffenstillstand in Kraft getreten, der die vorübergehende Besetzung eines Teils von Paris vorsah. Schon im Vorfrieden von Versailles verzichtete die provisorische nationale Regierung Frankreichs auf die damals noch überwiegend deutschsprachig geprägten Gebiete des Elsass und Lothringens (künftig das Reichsland Elsaß-Lothringen). Die Verhandlungen endeten am 10. Mai mit dem Frieden von Frankfurt. Der deutsche Sieg 1870/71, der letztlich nicht nur zu den vorgenannten Gebietsverlusten, sondern auch zur von vielen Deutschen lang ersehnten Reichsgründung im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles geführt hatte, wurde in Frankreich als demütigende Schande und nationales Trauma empfunden. Er sollte in den nachfolgenden Jahrzehnten die französisch-deutsche Politik nachhaltig bestimmen.

Folgen des Krieges für die Pfalz

Die Zeitgenossen in Deutschland, dementsprechend auch in der bayerischen Pfalz, maßen dem Sieg über Frankreich und der damit einhergehenden Reichsgründung seinerzeit eine ungeheure Bedeutung zu. Auf geostrategischer und wirtschaftlicher Ebene brachte der Kriegsausgang gerade der Pfalz eine gewichtige Neupositionierung, die bis 1918 Bestand haben sollte. Denn durch die Annexion, des ihr nun quasi als militärischer „Puffer“ vorgelagerten Elsass-Lothringens verlor unsere Region den bisherigen Status als Grenzland. Darüber hinaus erschloss sich im neuen Reichsland ein lukrativer inländischer Absatzmarkt für pfälzische Waren. Die Auswirkungen von 1871 auf kultureller Ebene zeigen nicht zuletzt die noch heute innerhalb der Pfalz erhaltenen großen oder kleinen Denkmale, welche damals als Monumente des Sieges und der nationalen Größe gedacht waren. Schon 1875, vier Jahre nach der Reichsproklamation in Versailles, beschloss der „Pfälzische Verschönerungsverein“ in Erinnerung an Sieg und Reichsgründung bei Dannenfels die Errichtung eines großen Triumphbogens, den ein Reichsadler krönen sollte. Gleichwohl konnte das Projekt zu Ehren des Reichskanzlers Otto von Bismarck (1815–1898) und Generalfeldmarschalls Graf Helmuth von Moltke (1800–1891), deren Statuen beiderseits des Bogens eingefügt wurden, erst 1880 umgesetzt werden. 2015 wurde der „Adlerbogen“ übrigens restauriert.

Friedensdenkmal Edenkoben, Postkarte um 1900
Friedensdenkmal in Edenkoben, Postkarte um 1900 (IPGV)

Während bei letzterem Denkmal ein Verein ursprünglicher Träger des Vorhabens gewesen war, hatte das 1899 fertiggestellte vorderpfälzische Pendant auf dem Werderberg bei Edenkoben eine andere Qualität. Kein Geringerer als der damals ungeheuer beliebte bayerische Prinzregent Luitpold machte schon im Vorfeld all seinen Einfluss geltend und beauftragte den Westpfälzer Bildhauer August Drumm mit der Gestaltung. Das Monument, heute meist als „Friedensdenkmal“ bezeichnet, dominiert vor einer an drei Seiten offenen Halle ein nackter, reitender Jüngling, der als Friedenszeichen einen Ölzweig emporstreckt. Darüber hinaus zieren im Innern neben dem Reichsadler die Wappen der ehemaligen deutschen Staaten die geschlossene Rückseite. Auch in zahlreichen kleineren Gemeinden wurde des Sieges mit Monumenten gedacht – so errichtete man noch 1917 in (Kaiserslautern-)Erfenbach zu Ehren der Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges ein Kriegerdenkmal.

Da die Pfalz – abgesehen von der Tatsache, dass das Königlich Bayerische 10. Jägerbataillon (Teil der Bayerischen 1. Division) vom Schweigener Kirchhof aus mit den ersten Salven auf Weißenburg die nachfolgende Schlacht eröffnete – vom Krieg unberührt blieb, sei zum Abschuss noch darauf verwiesen, dass unweit der Landesgrenzen im Nordelsass (Weißenburg, Woerth und Froeschwiller) der französische Staat noch heute deutsche, darunter zahlreiche bayerische Denkmale unterhält, welche von den militärischen Ereignissen im Spätsommer 1870 künden.

Jürgen Keddigkeit


Literatur und Quellen:

  • Der deutsch-französische Krieg 1870-1871. 5 Bde., redigiert von der kriegsgeschichtlichen Abteilung des Großen Generalstabes (3 Kartenmappen), Berlin 1872-1881.
  • Ganschow, Jan/Haselhorst, Olaf/Ohnezeit, Maik (Hrsg.): Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71. Vorgeschichte – Verlauf – Folgen, 2. Aufl. Graz 2013.
  • Koch-Breuberg, Friedrich: Die Bayern im großen Kriege 1870-1871, Regensburg o. J. [um 1900].
  • Moltke, Helmuth, Graf von: Geschichte des deutsch-französischen Kriegs von 1870-1871, Berlin 1895 – URL: https://archive.org/details/bub_gb_49waAAAAMAAJ/mode/2up  – (Stand: 01.04.2020)

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