Die Pfalz und der Mauerbau vor 50 Jahren

Schliessung der deutsch-deutschen Grenze in Berlin

Veröffentlicht am 10. Januar 2011

50 JAHRE MAUERBAU

Gesprächsrunde mit Zeitzeugen in der Villa Denis in Frankenstein

Zum Thema „50 Jahre Mauerbau“ veranstaltet der Bezirksverband Pfalz am Donnerstag, 11. August, um 19 Uhr in der Villa Denis in Frankenstein, Diemerstein 9, eine Gesprächsrunde (Eintritt frei). Nach einer Einstimmung ins Thema erzählen vier Zeitzeugen aus der Pfalz, inwiefern sie vom Mauerbau vor 50 Jahren betroffen waren. Die Moderation übernimmt „Rheinpfalz“-Chefredakteur Michael Garthe.

 

Bild eines Abschnitts der Berliner Mauer, darauf ein rotes Graffiti: Baut die Mauer in euch selbst ab und die hier verschwindet für immer.
Graffiti: Berliner Mauer
Photographie von Panzer die über eine Straße fahren, umringt von einer Menschenmenge. Hinter den Menschen auf der linken Seite des Bildes parken zahlreiche Autos.

Am 15. Juni 1961, ziemlich genau 16 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs in Europa, beantwortete auf einer internationalen Pressekonferenz der damalige Staatsratsvorsitzende der DDR Walter Ulbricht die Frage nach einer möglichen Grenzschließung folgendermaßen:

„Ich verstehe Ihre Frage so, dass es in Westdeutschland Menschen gibt, die wünschen, dass wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR dazu mobilisieren, eine Mauer aufzurichten. Mir ist nicht bekannt, dass eine solche Absicht besteht. … Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten …“

Hintergrund der Frage und der Antwort war die Tatsache, dass es seit Kriegsende aus politischen und wirtschaftlichen Gründen zu einem anhaltenden Exodus aus Mitteldeutschland in die Bundesrepublik, in den „Goldenen Westen“ gekommen war. Nur wenige Wochen später, im Juli 1961 hatten sich insgesamt 30.444 Flüchtlinge im Notaufnahmelager Berlin-Marienfelde registrieren lassen – eine Zahl, die der Einwohnerschaft von Bitterfeld entsprach, wie die „Berliner Morgenpost“ damals anmerkte. Einen ähnlich starken Flüchtlingsandrang hatte es zuletzt im Oktober 1955 gegeben. Die Dimension dieser Flucht – dreieinhalb Millionen Menschen hatten seit 1949 ihre Heimat verlassen – beschrieb und verglich am 25. August 1961 die Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ treffend: „das ganze Bundesland Rheinland-Pfalz … wäre menschenleer“.

Natürlich war auch die Pfalz von dieser Flucht betroffen, schließlich hatten die Bundesbehörden nach einem genauen Schlüssel die Flüchtlinge auf die unterschiedlichen Regionen der Bundesrepublik verteilt. Wohnblocks, oft ganze Siedlungen, entstanden in den fünfziger Jahren für die Neuankömmlinge in größeren und kleineren Städten. In den Schulen gesellten sich zum allgemein üblichen pfälzischen Dialekt nun auch mehr und mehr mitteldeutsche Dialekte.

Während man sich im Westen um die Integration der Flüchtlinge mühte, machte sich Ost-Berlin große Sogen: Einerseits war der Verlust an Menschen wirtschaftlich von großem Nachteil, andererseits sorgte man sich sehr um das politische Image. Es „sind ökonomische Maßnahmen notwendig, um die Hauptstadt der DDR vor noch größeren Verlusten und Zersetzungen zu schützen“, schrieb Ulbricht an Nikita S. Chruschtschow im Juni 1961. Gemeint war das rigorose Schließen der Grenzen. Während die Zonengrenze bereits seit vielen Jahren dicht geschlossen war, kam dem letzten „Schlupfloch Berlin“ eine umso größere Bedeutung zu. Während US-Präsident John F. Kennedy noch Ende Juli bekräftigte, für die Rechte der Westmächte in Berlin und die Freiheit der West-Berliner Bevölkerung einzustehen, fiel bald darauf die Entscheidung in Moskau und Ost-Berlin die Grenzen zu schließen.

Am 11. August steigerten sich in der Pfalz die Befürchtungen: Der Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen Lemmer, so konnte man in der Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ lesen, hatte an die Bevölkerung zu „noch größerer Opferbereitschaft“ appelliert und einen Tag später berichtet: Fluchtbewegung erschüttert die Sowjetzone“. Während man noch über die bevorstehenden „strenge Maßnahmen“ der Ost-Berliner Volkskammer spekulierte, geschah das Unfassbare.

Die Pfälzer wurden vom Rundfunk informiert, selbst die Schüler in den Schulen hörten von ihren Lehrern: Grenzsoldaten, Angehörige von „Betriebskampfgruppen“ und ein Heer von Bauarbeitern hatten in den frühen Morgenstunden des 13. August mit dem Bau einer Mauer in Berlin begonnen. Nacktes Entsetzen machte sich breit. Ein „Eiserner Vorhang teilt Berlin“ titelte am 14. August die „Die Rheinpfalz“. Die Politik nicht nur im Westen Deutschlands, sondern auch in den europäischen Hauptstädten schien im ersten Moment ratlos, fürchtete eine Eskalation. Man beschränkte sich auf verbalen Protest, der erstmals am 16. August erfolgte. Letztlich blieb das alles wirkungslos: Schon am 17. August war Westberlin abgeriegelt. Selbst Verwandtenbesuche wurden unmöglich. In der Ost-Berliner Führung herrschte eitel Freude und Sonnenschein und regimetreue Poeten dichteten triumphierend für die Grenzsoldaten:

Im Sommer einundsechzig,
beim Kurs von eins zu fünf,
da machten die Grenzgängersich täglich auf die Strümpf‘.
Klappe zu, Affe tot,
endlich lacht das Morgenrot.

Im Sommer einundsechzig
da holten aus Westend
die Weber sich das Kopfgeld,
die Waffen der Agent.
Klappe zu, Affe tot,
endlich lacht das Morgenrot.

Im Sommer einundsechzig,
am 13. August,
da schlossen wir die Grenzen,
und keiner hat‘s gewusst.
Klappe zu, Affe tot,
endlich lacht das Morgenrot.

Während Präsident Kennedy seinen Vizepräsidenten zusammen mit dem legendären US-Stadtkommandanten Lucius D. Clay zur moralischen Stützung der Westberliner sandte und US-Soldaten zur Verstärkung nach Berlin geschickt wurden, machten die kommunistischen Machthaber ungerührt die Grenze von Tag zu Tag dichter: Betonplatten ersetzen bald die einfachen Stacheldrahtverhaue, Häuser wurden niedergerissen oder deren nach Westen zeigenden Fenster, wie in der Bernauer Straße vermauert.

Die Pfalz, obwohl weit entfernt, war auf besondere Art und Weise betroffen. Die Verlegung von 1500 Soldaten der 8. US-Infanteriedivision, deren Hauptquartier in Bad Kreuznach war, tangierte vor allem den Großraum Kaiserslautern, waren doch hier all jene Nachschubgüter der US-Army gelagert, die man nun in Berlin dringend benötigte. Urlaubssperren für die deutschen Zivilangestellten waren die Folge.

Während die Westberliner die dritte Brigade der Division, die damals bei Mannheim stationiert gewesen war, begeistert begrüßte, spitzte sich die Lage zu und erreichte ihren Höhepunkt am 27. Oktober 1961. Damals standen sich am Checkpoint Charly sowjetische und amerikanische Panzer gefechtsbereit gegenüber, deren Kommandanten den Befehl hatten, ihre Kanonen notfalls einzusetzen.

Bis 1989 bestand die Mauer in Berlin, war das Symbol der Deutschen Teilung, hier wurden mindestens 136 Menschen bei Fluchtversuchen erschossen. Erst 28 Jahre später fiel das Monstrum, nicht zuletzt mit Hilfe des Pfälzers Helmut Kohl, der die im Grundgesetz geforderte Einheit Deutschlands damals wiederherstellen sollte.

Jürgen Keddigkeit


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