Heimatschutz und Scharmützel entlang der Grenze

Vor 70 Jahren: Beginn des Zweiten Weltkriegs in der Pfalz

Veröffentlicht am 10. Januar 2009
Photographie eines Soldaten im Stahlhelm neben einem Schild, darauf steht: Achtung! Beginn der freigemachten Zone, Betreten des Geländes ohne schriftliche Genehmigung wird bestraft. Divisionskommando
Ein Wachposten an einem Schild, das auf den Beginn der Roten Zone hinweist

Mit der Kriegserklärung Frankreichs und Großbritanniens an das nationalsozialistische Deutschland am 3. September 1939 hatte die Bevölkerung der Grenzregion Pfalz die letzte Hoffnung aufgeben müssen, dass ihre Heimat von einem Krieg verschont bleiben könnte. Schon vor der Kriegserklärung waren Maßnahmen zum Schutz der Heimat ergriffen wurden. So erhielt die Wehrmacht bereits Ende August die vollziehende Gewalt im Grenzgebiet und die Landräte wurden angewiesen, sich sowohl auf die Räumung der Grenzortschaften als auch auf die Sicherung der transportablen Kunstdenkmäler nach einem Plan des stellvertretenden Gauleiters Ernst-Ludwig Leysers vorzubereiten.

Dies führte Anfang September zur Räumung der Roten Zone, eines ca. 20 Kilometern breiten Streifens  entlang des Westwalles. Davon waren 81 Ortschaften in der Pfalz betroffen, darunter auch größere Städte, wie das damals fast 60 000 Einwohner zählende Pirmasens. Die Bewohner wurden mit Hilfe aller verfügbaren Transportmittel oder in Marschkolonnen evakuiert und vorrübergehend in Franken, Thüringen und Schwaben untergebracht. Auch das Vieh wurde, soweit möglich, aus dem potentiellen Kampfgebiet abtransportiert. Es sollte bis zum Spätsommer 1940 dauern, bis die Einwohner offiziell wieder ihre alte Heimat betreten durften. Viele Pfälzer versuchten jedoch schon zuvor aus den verschiedensten Gründen, ohne die Genehmigung der Behörden in ihre ehemaligen Ortschaften zurückzukehren.

Während aus propagandistischen Gründen die Räumung der westlichen Grenzgebiete als ziemlich reibungsloses Ereignis dargestellt wurde, gab es von anderen Stellen harsche Kritik. So äußerte sich zum Beispiel der Sicherheitsdienst der SS in seinem geheimen Lagebericht vom 8. November 1939, dass die „Organisation der Freimachung im allgemeinen gut vorbereitet war, aber die Durchführung teilweise stark versagt“ habe. Auch die mangelhafte „Aufklärung der Flüchtlinge“ und die Planung ihres Weitertransportes wurden beanstandet. An einer anderen Stelle bemängelte der Präsident des Landgerichts Zweibrücken, dass „das Reichsjustizministerium und die militärischen Stellen“ sie „vollständig im Stich gelassen“ hätten und durch das Ziel „den Ernst der Lage zu verschleiern […] vorsorgliche Räumungsmaßnahmen“ verhindert hätten.

Die Auswirkungen des Krieges waren auch außerhalb der Roten Zone in der Pfalz spürbar.  So beschäftigten sich die Zeitungen umfangreich mit den neuen Lebensumständen. Sie thematisierten ausführlich die Lebensmittelkarten und die entsprechenden Mengen an Brot, Fleisch, Fett, Milch, Zucker und Marmelade, die Erwachsenen, Kindern, Schwer- und Schwerstarbeitern zur Verfügung standen. Ebenso forderten sie die Einsparung von Kraftstoffen. Schließlich seien „Luxusfahrer Volksschädlinge“. Weitere Artikel behandelten Verdunkelung und Luftschutz. So titelte die „Pfälzische Presse“ am 4. September 1939 „Wer nicht verdunkelt, ist ein Verbrecher“. Die NSZ Rheinfront ging in den folgenden Tagen detailliert auf die Verdunkelungsbestimmungen für Gebäude und Fahrzeuge ein. Schließlich sollte „der Führer […] das Bewusstsein haben können, dass er sich nicht nur auf seine Armee, sondern auch auf die Front in der Heimat verlassen kann in seinem Kampfe um die Einkreisung des deutschen Lebensraumes.“

Zum Luftschutz wiederum erinnerte man an die üblichen Verordnungen, wie offene Fenster und Türen, aber geschlossene Rollläden, um die Verdunklungsmaßnahmen nicht zu gefährden, und stellte das oberste Gebot des Ruhebewahrens in den Vordergrund mit dem Argument „Gefährlicher als jede Bombe ist […] eine Panik.“ Um die Ernte weiter erfolgreich einzufahren, stellten die Regierungsstellen heraus, dass die Erntehilfe trotzt des Krieges von den Jugendlichen zu leisten sei. Ebenso warb man in der „Pfälzischen Presse“ für die SS-Totenkopfstandarten, um die Jahrgänge 1921 und 1922 für einen zwölfjährigen Dienst zu verpflichten. Wer sich nicht dafür meldete, wurde zur Wehrmacht eingezogen. Die 17-jährigen Mädchen rief man auf, sich für eine 20-stündige Ausbildung im Gesundheitsdienst bereit zu erklären, um danach als Helferin beim Deutschen Roten Kreuz die Arbeit aufzunehmen.

Militärisch geschah in der Pfalz zu Kriegsbeginn wenig. Der sogenannte Sitzkrieg, der bis zum Mai 1940 andauern sollte, führte zu einer abwartenden Haltung auf beiden Seiten der deutsch-französischen Grenze. Es kam, wenn man von einem kurzen Vorstoß französischer Streitkräfte in der Westpfalz Richtung Saarbrücken absieht, nur zu kleineren Scharmützeln zwischen den Spähtrupps beider Seiten. Britische Flugzeuge warfen zu dieser Zeit anstatt Bomben primär Flugblätter ab, die von britischer Seite als „Wahrheitsangriffe“ deklariert wurden. Zu sehr hatte man sich zu Beginn des Krieges auf britischer und französischer Seite auf einen langen Krieg eingestellt mit dem Ziel, Deutschland im Laufe der Zeit in Sachen Produktivität und Kriegsausrüstung zu übertrumpfen. Die Pfalz sollte deshalb erst Ende 1944 bis Frühjahr 1945 zu einem großen Kampfgebiet werden.

Markus Vogt M.A.


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