August von Mackensen

Vor 75 Jahren: Der letzte Preuße in der Pfalz

Veröffentlicht am 10. Januar 2009
Bild des alten August von Mackensen in Uniform mit zahlreichen Orden, ein übergroßes Glas in der Hand haltend.
Verbrachte genussvolle Tage in der Pfalz: "Militärstar" August von Mackensen

Sein Leben erzählt von den Krisen, Kriegen und Katastrophen des 20. Jahrhunderts: Generalfeldmarschall August von Mackensen war eine schillernde historische Figur. Früher kannte ihn jedes Kind. Als der berühmte Militär vor jetzt 75 Jahren, im Sommer 1934, die Pfalz besuchte, braute sich gerade ein politisches Gewitter über Deutschland zusammen. Während er an den Rhein reiste, übersiedelte sein wenig älterer Marschall-Kamerad, der Reichspräsident Paul von Hindenburg, todkrank nach Ostpreußen. Die zwei bekanntesten Heerführer des Ersten Weltkriegs hatten der Pfalz 1930, nach Abzug der französischen Besatzer, beide ihren Besuch abgestattet. Jetzt, im Juni 1934, kehrte der 84jährige Mackensen an den Ort seiner „Feuertaufe“ von 1870 zurück. Blutjung hatte der Husar damals im Krieg gegen Frankreich sein erstes Gefecht erlebt. Noch einmal spähte der Veteran von den Grenzhöhen hinüber auf die einstige Kampfstätte im Elsass: „Von Schweigen aus konnte ich an der Kirchhofmauer, die fast die Grenze bildet, das ganze Schlachtfeld von Weißenburg überschauen und Erinnerungen auffrischen.“

In einem Brief schilderte der „Militärstar“, wie ihn der Schriftsteller Kurt Tucholsky bezeichnet hat, die „sehr genussreichen und bewegten Tage in der Pfalz“. Von seinem Waldhaus bei Stettin in Pommern war Mackensen mit seiner Frau per Bahn über Berlin nach Mannheim gefahren. Quartier bezog er bei einem Reservemajor in dem „herrlich im Gebirgstal bei Neustadt gelegenen Schöntal“. Von dort unternahm der Nationalheld Ausflüge nach Dürkheim, Edenkoben und in andere Weinorte, umjubelt von Kriegervereinen, Honoratioren und Hitlerjungen: „Die Bevölkerung feiert in ungewöhnlichem Umfang mit.“

Das Programm strengte den alten Herrn an, doch „es gab immer etwas Neues zu sehen und die Gastfreundschaft der liebenswerten Menschen sorgte für Abwechslung.“ Eine Autofahrt führte über Heidelberg durch „das herrliche Neckartal“ nach Bruchsal „zur Besichtigung des großartigen Schlosses“, und über Germersheim zurück. Nicht zuletzt schmückte der Kriegsheros in seiner Husarenuniform ein Treffen der alten Offiziere aus der Pfalz und dem Saargebiet in Neustadt. „Es war ein überaus stimmungsvolles Zusammensein, natürlich auch mit vielen Reden.“

Die dreiwöchige Reise ging weiter nach Pforzheim, wo Mackensen die Ehrenbürgerwürde erhielt, und zum Ausspannen nach Bad Reichenhall in Bayern. Eine heile Welt?

Ende dieses Monats schritt Reichskanzler Adolf Hitler beim so genannten „Röhm-Putsch“ zur mörderischen Tat. Bei Nacht und Nebel entledigte der Führer des Nationalsozialismus sich der SA, aber auch konservativer Gegner. Wie viele Deutsche glaubte Mackensen, dass Hitler einem Putsch des SA-Chefs Ernst Röhm zuvorgekommen sei. Kurz darauf starb Hindenburg. Hitler vereinigte die beiden höchsten Staatsämter auf sich. Mackensen war nun der letzte lebende Preußenmarschall, weshalb das Regime ihn als Ersatz-Hindenburg propagandistisch vor den Karren spannte.

Bild eines Kriegsdenkmals in Weißenburg
Das erste Preußengrab von 1870 in Weißenburg: Hier erlebte August von Mackensen als blutjunger Husar seine Feuertaufe

August von Mackensen, erst 1899 geadelt, war in einer beispiellosen Karriere vom gelernten Landwirt zum ersten bürgerlichen Flügeladjutanten Kaiser Wilhelms II. aufgestiegen. An den östlichen Fronten des Ersten Weltkriegs – der „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts – erlangte er Feldherrnruhm. Mackensen führte 1915 bei Gorlice den entscheidenden Schlag gegen die russische Zarenarmee, eroberte Serbien, Mazedonien und Rumänien. Unter seinem Kommando standen dabei auch Truppen aus Österreich-Ungarn, Bulgarien und dem Osmanischen Reich.

Nach der Niederlage von 1918 quittierte er den Dienst. Sein ehemaliger Kaiser forderte ihn zwei Jahre nach dem Ende der Monarchie auf, einen Putsch gegen die Weimarer Republik zu unternehmen. Mackensen ließ sich auf dieses Abenteuer nicht ein. Zwar lehnte er die „selbstsüchtige jüdische Demokratie“ erbittert ab, spürte aber, dass die wilhelmischen Eliten keinen Kredit mehr besaßen. Der „Führer“ müsse aus einer jüngeren Generation erwachsen, so Mackensen.

Die Nationalsozialisten beurteilte er noch 1932 negativ: „Eine unreife, aufgeblasene, taktlose Gesellschaft mit verantwortungslosen Führern.“ Aber vor der letzten Reichstagswahl 1933 ließ er sich dann von Hitlers deutschnationalen Partnern zur Galionsfigur machen. Und nach dem Tag von Potsdam äußerte er, Hitler sei der „begnadete Führer“ aus dem Volk, nach dem er, Mackensen, seit langem Ausschau gehalten habe.

Erst die Angriffe der Nationalsozialisten auf das Christentum brachten den frommen Protestanten dazu, auf mehr Distanz zum Unrechtsregime zu gehen. Ihn unterschied innerlich einiges von der braunen Ideologie. Doch aufgrund der typischen Irrtümer und Torheiten des Nationalismus huldigte er dem Diktator immer wieder als dem „großen Führer“ und „Vollender“ des Reiches. Der treue Husar vermochte sich von dem Zerstörer Deutschlands nicht mehr loszusagen.

Bis zum Ende seiner Tage blieb Mackensen erstaunlich rüstig. Mit 93 Jahren schickte er seiner deutlich jüngeren Frau Leonie feurige Briefe mit dem Gruß: „Dein auch als werdender Greis noch frisch verliebter August.“

1945 musste der letzte königlich preußische Feldmarschall vor der Roten Armee fliehen, bevor seine fesselnde Lebensgeschichte zu Ende ging.

Bald nach dem Zweiten Weltkrieg, 1946, schrieb Konrad Adenauer an die Gräfin Fürstenberg-Herdringen,

„wie empört ich – der ich den Wert der Tradition kenne und schätze – über die Haltung des größten Teils Ihrer Standesgenossen während der nationalsozialistischen Zeit bin; sie sind unter Verleugnung ihrer Tradition aus einer völlig unbegründeten Abneigung gegen eine wirkliche Demokratie einem verbrecherischen Abenteurer nachgelaufen und haben dadurch vor Gott eine schwere Schuld auf sich geladen“.

Nimmt man die Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944 aus, urteilte der spätere Bundeskanzler hart, aber historisch gerecht über das Versagen der alten Eliten im preußisch-deutschen Reich.

Dr. Theo Schwarzmüller


Literatur und Quellen:

  • Schwarzmüller, Theo: Generalfeldmarschall August von Mackensen. Zwischen Kaiser und „Führer“, Diss. Univ. Mannheim, Paderborn/Wien/Zürich 1995 (3. durchgesehene Aufl. 1996 erschienen dtv München 2001).

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