Heinrich Bohner

Vor 100 Jahren: In Speyer stirbt der Afrikamissionar Heinrich Bohner

Veröffentlicht am 10. Januar 2005
Photographisches Porträt eines alten und wettergegerbten Heinrich Bohner im Anzug.
Heinrich Bohner - Porträt nach einem Menschenalter in Afrika

Vor 100 Jahren, am 21. März 1905, starb in Speyer der evangelische Missionar Heinrich Bohner, der als „Bischof von Deutsch-Kamerun“ und „Schuhmacher Gottes“ berühmt war. Aufgrund seiner 35-jährigen Tätigkeit an der Westküste Afrikas galt der heute vergessene Pfälzer seinerzeit als einer der erfahrendsten weißen Kenner des schwarzen Kontinents. Sein Sohn, der Schriftsteller Dr. Theodor Bohner, schrieb rückblickend:

„Mein Vater war Missionar. Ich habe daher ins Leben mitgenommen, dass einen Millimeter unter der Haut die Menschen gleich sind, und dass sie es im Herzen alle sein können.“

Die Familie stammte aus dem nördlichsten Zipfel der damals bayerischen Rheinpfalz, aus Feil nahe der Ebernburg. 1842 geboren und durch ein lahmes Bein gehandikapt, erlernte Heinrich Bohner den väterlichen Beruf des Schuhmachers. Beseelt von einem christlichen Idealismus, bewarb er sich 1863 um Aufnahme bei der Basler Missionsgesellschaft, die ihn nach einer dreimonatigen Ausbildung in die britische Kolonie an der Goldküste (heute Ghana) entsandte. Anfangs brachte er getauften Eingeborenen das Schusterhandwerk bei, erlernte jedoch schnell mehrere Stammessprachen und entwickelte sich zu einem engagierten Straßenprediger. 1875 zum Pfarrer ordiniert, kämpfte er gegen Sklaverei und Sklavenhandel, auch indem er freigelassenen Sklaven half, ein neues Leben zu begründen. Der Geistliche veröffentlichte Sprachstudien sowie Schriften zum Volksleben Westafrikas, darunter den Roman „Im Lande des Fetischs“. 1886 wechselte Bohner nach Kamerun, das neue Schutzgebiet des deutschen Kaiserreichs. Dort leitete er als Präses zwölf Jahre lang die bedeutende Basler Mission, für die er über 100 Außenstationen und Schulen errichtete. In seiner letzten Lebensphase verkündete er überall in der Pfalz und anderswo als Wanderprediger für die Deutsche Kolonialgesellschaft jene Vorstellungen, auf denen die weltweite Expansion der europäischen Mächte im 19. Jahrhunderts beruhte.

Heinrich Bohner mit weißem Rauschebart und im Anzug steht vor einem Korbstuhl, seinen Arm um eine sitzende afrikanische Frau im Kleid mit ebenfalls im Kleid gekleideten Kleinkind auf dem Schoß. Im Hintergrund Gebäude und die Landschaft Kameruns-
Heinrich Bohner mit Frau und Kind am Kamerunfluss

Als einen Menschen „von innerster Schlichtheit und Natürlichkeit“, geprägt von der „herzlichen Liebe zu unseren schwarzen Brüdern“, charakterisierte ihn sein ältester Sohn Theodor, geboren 1882 an der Goldküste. „In der Kapelle, die er selbst dem Christengott in die Wildnis erbaut, taufte mich mein eigener Vater.“

Die zehn Kinder des Missionars aus der Ehe mit einer Pfälzerin wuchsen bei Verwandten „zu Hause“ auf. Theodor verbrachte seine Gymnasialzeit in Kaiserslautern und Mannheim, wo er als „der Afrikaner“ galt. Auch ihn zog es viele Jahre ins Ausland; er avancierte 1908 zum Direktor der Deutschen Schule in Rom.

Der Weimarer Republik diente er als kulturpolitischer Sprecher der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) im Preußischen Landtag und als Oberschulrat in Berlin. 1933 von den Nationalsozialisten entlassen, arbeitete er als freier Schriftsteller. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte er am liebsten in die alte Heimat zurück: „Ich habe mich immer als Pfälzer empfunden.“ Doch er konnte Philosophie an der Southwestern University in Georgetown (Texas) lehren und fungierte als Präsident des deutschen Schriftstellerverbandes sowie der Schiller-Stiftung. Er schrieb 30 Bücher über Afrika und die globale Wirtschaftsgeschichte, nicht zuletzt aber Biografien, darunter die seines Vaters („Der Schuhmacher Gottes“). Die schwedische Dichterin Selma Lagerlöf nannte Theodor Bohner einen „ganz vortrefflichen Erzähler“.

Seinem Freund Lorenz Wingerter berichtete er im Oktober 1949 von einer Fahrt durch die Westpfalz:

„Es ist ein Stückchen Land recht für Liebende: der Mensch verschwindet fast völlig, keine laute Industrie, aber nun auch kein Lärm der Natur mit Gletschern und Bergstürzen, sondern alles lieblichste Wiesen und Wälder. Selbst Ackerbau, Felder zeigen sich kaum. Es ist recht eine Gegend, wo die Wälder stiller werden und die Wiesen leerer sind, was für mich so gut Pfalz ist wie Weinlese und Wurstmarkt.„

Dr. Theo Schwarzmüller


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