Otterberger Abtei

Vor 750 Jahren: Zisterzienserabteikirche Otterberg wird geweiht

Veröffentlicht am 10. Januar 2004
Schwarz-Weiß Photographie der Klosterkirche von Otterberg.
Zisterzienserabteikirche Otterberg

Am 10. Mai 1254 weihte der Lütticher Weihbischof Arnold die neue Zisterzienserabteikirche zu Otterberg. Das Kloster mit seinem kunst- wie architekturgeschichtlich höchst bedeutsamen Kirchenbau teilte das Schicksal der meisten Klöster und Stifte, die im Mittelalter in einer der Kernlandschaften des römisch-deutschen Reiches gegründet worden sind.

Die Anfänge der Zisterzienser in Otterberg reichen schon in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts zurück. In einer Urkunde aus dem Jahre 1143 übertrug Erzbischof Heinrich I. von Mainz dem Abt des Zisterzienserklosters Eberbach im Rheingau die Kirche in der “alten Otterburg” einschließlich diverser Pfründen. Die Burg mit der Kirche und Nebengebäuden wurden dem Eberbacher Abt von einem gewissen Siegfried und dessen Miterben wegen ihres Seelenheils geschenkt. Jener Siegfried wird in der historischen Forschung mit Graf Siegfried IV. von Northeim- Boyneburg identifiziert.

Offenbar erst zwei Jahre nach der Stiftung begann die eigentliche Gründung des Klosters. 1145 bezog ein erster Abt gemäß der Ordensregel zusammen mit zwölf Zisterziensermönchen die Gemäuer der “alten Otterburg”. Nach anfänglichen Schwierigkeiten in dem spärlich besiedelten Waldgebiet begannen noch in der Amtszeit des ersten Abtes die Fundierungsarbeiten der Abteikirche im Tal zu Füßen der Burg.

Beginn und Verlauf der Bauarbeiten sind urkundlich nicht belegt. Doch erbrachten dendrochronologische Untersuchungen von Holzresten neue Erkenntnisse. Danach wurden die Fundierungsarbeiten vor 1168 begonnen. Um 1246 wurde die Dachkonstruktion der Kirche erstellt. Die Bautätigkeit an der Abteikirche zu Otterberg dehnte sich damit über einen Zeitraum von über 80 Jahren. Mit Hilfe der Analyse der Oberflächenbearbeitung der Steine, der Mauer- und Versetztechnik und der Steinmetzzeichen gelang es, Aussagen über den Verlauf der Bauarbeiten zu machen. Hiernach ist der Beginn der eigentlichen Bauarbeiten an der Kirche auf etwa 1180 zu datieren. Die Baumaßnahmen begannen unter anderem mit der Errichtung des südlichen Seitenschiffs und den unteren Teilen des Chores.

Während der Amtszeit Abt Philipps (vermutlich 1195-1225) – wohl wegen seines langen Abbatiats einer der bedeutenderen Otterberger Klostervorsteher – wurde der größte Teil des Kirchengebäudes errichtet. So wurden insbesondere der Chor und das Querhaus vollendet. Bis zum Jahr 1236 waren die noch fehlenden Langhauspfeiler sowie ein Teil des Obergadens aufgemauert. Ferner wurden die Arbeiten an den beiden Seitenschiffen vollendet. In der Zeit von 1236 bis 1242 wurde vor allem der Obergaden ausgeführt und die Westfassade einschließlich Giebel fertig gestellt. Unter Abt Ulrich wurden um 1246 die Arbeiten an der Dachkonstruktion vorgenommen.

Arnold, Weihbischof von Lüttich, weihte schließlich am 10. Mai 1254 im Auftrag des Erzbischofs Gerhard I. von Mainz die Kirche und den Hochaltar einschließlich der Torkapelle zur Ehren der Gottesmutter und des heiligen Johannes des Täufers. Es ist nicht sicher zu sagen, ob die Kirche und die Konventsgebäude zu diesem Zeitpunkt baulich fertig gestellt waren. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts verzeichnete das Kloster aufgrund von Schenkungen, Stiftungen und Käufen eine ständige Aufwärtsentwicklung. Erste Anzeichen des Niedergangs sind wohl bereits im 14. Jahrhundert in der zunehmenden Zahl der Verkäufe und dem Rückgang der Schenkungen zu beobachten. Die Beeinträchtigung der klösterlichen Güter durch militärische Auseinandersetzungen des Pfalzgrafen, der die Vogtei über das Kloster ausübte, stellt einen weiteren Grund für den beginnenden Niedergang der Zisterzienserabtei dar. Im 15. Jahrhundert gerieten die Otterberger Zisterzienser in wirtschaftlich größte Bedrängnis, nicht zuletzt wegen kriegerischer Konflikte Friedrichs des Siegreichen mit Kurmainz, Württemberg, Pfalz-Veldenz und Leiningen.

Dieser Trend setzte sich mit den kurpfälzisch-bayerischen Erbauseinandersetzungen zu Beginn des 16. Jahrhunderts drastisch fort. Einen absoluten Tiefpunkt erreichte das Kloster während des Bauernkriegs, als es im Jahre 1525 geplündert und verwüstet wurde. Die Mönche waren zuvor geflohen. Wie groß die Schäden an der Kirche und den Gebäuden waren, ist nicht überliefert. Nach der Rückkehr wenigstens eines Teils der Zisterzienser ging das klösterliche Leben bis längstens 1561 – wenn auch mit Einschränkungen – weiter. In dem gleichen Jahr verzichtete Wendelin Merbot, der letzte Abt von Otterberg, auf seine Rechte, da er sich weigerte, den evangelischen Glauben anzunehmen. Mit den wenigen verbliebenen Mönchen verließ er das Kloster. Dieses wurde nun von Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz eingezogen und seine Güter der Verwaltung durch die Geistliche Güteradministration in Heidelberg unterstellt. 1579 erhielten wallonische Glaubensflüchtlinge von Pfalzgraf Johann Casimir die wohl größtenteils verwaisten Abteigebäude zur freien Verwendung. Die Flüchtlinge trugen bis auf wenige Ausnahmen die Konventsgebäude ab und nutzten die Steine zum Bau ihrer Häuser. Die Abteikirche blieb wohl weitgehend verschont.

1612 wird das Gotteshaus als “baufällig an Dachung und Fenstern” bezeichnet. Durch einen von Blitzschlag verursachten Brand wurden vor allem Turm und Dach der Kirche 1671 stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Religionsklausel des Rijswijker Friedens von 1697 sah für die Otterberger Kirche das Simultaneum vor. Dementsprechend wurde sie in der Folge von beiden Konfessionen genutzt. 1705 wurde sie per Religionsdeklaration den Reformierten allein zugesprochen. 1706 konnte ein Kompromiss erzielt werden, wonach die Katholiken das Querhaus und den Chor zugesprochen bekamen. Diese Raumteile wurden 1708 vom protestantischen Langhaus durch eine Mauer abgetrennt. Während der Franzosenzeit diente die Kirche am Ende des 18. Jahrhunderts als Hafer- und Strohmagazin. Die mitunter durch diese Zweckentfremdung verursachten Schäden konnten wohl wegen des enormen Kostenaufwands erst in dem Jahrzehnt zwischen 1821 und 1831 behoben werden. An das südliche Querhaus wurde 1898 eine Sakristei gebaut. 1902, 1911 und 1970/71 erfolgten grundlegende Renovierungen im protestantischen Langhaus und im katholischen Teil sowie eine gründliche Reinigung der Außenwände. Eine weitere fundamentale Innenrenovierung dauerte von 1978 bis 1991. In ihrem Verlauf wurde 1979 die Trennmauer beseitigt, die seit 1708 das Kircheninnere teilte.

Mit einer Gesamtlänge von 84 Metern (ohne die nicht mehr vorhandene Vorhalle), einer Breite von 36 Metern im Querschiff und einer Höhe von 26 Metern bis zum Dachfirst gehört die Abteikirche Otterberg zu den größeren Sakralbauten des Zisterzienserordens. Der fast quadratische Chor wird nach Osten hin von einer polygonalen Apsis abgeschlossen. Die frühere Vorhalle sowie die Querhaus- und Chorkapellen der Kirche sind nicht mehr vorhanden. Von den Konventsgebäuden existiert nur noch der Kapitelsaal mit den Räumen in Richtung des südlichen Querhauses sowie einige Mauerreste. Das Gotteshaus weist spätromanische und frühgotische Formelemente auf und folgt in seiner Bauweise dem Modell zisterziensischer Ordensarchitektur. In seiner Grund- und Aufrisskonzeption entspricht das Gebäude dem Typus einer dreischiffigen Basilika.

Die Bedeutung der Zisterzienserabteikirche zu Otterberg findet ihren Ausdruck in ihrer bemerkenswerten Größe und in der hohen Qualität der Bauformen. Daher darf sie wohl mit Recht als eine der größten Kirchen des Zisterzienserordens in Deutschland im Allgemeinen und als der bedeutendste erhaltene mittelalterliche Kirchenbau der Pfalz nach dem Speyerer Dom im Besonderen bezeichnet werden.

Ulrich Burkhart


Literatur und Quellen:

  • Werling, Michael: Die Baugeschichte der ehemaligen Abteikirche Otterberg unter besonderer Berücksichtigung ihrer Steinmetzzeichen, Kaiserslautern 1986.

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